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09.08.2015

Netzwerk Demenz Stuttgart informiert: Informationen zum Entwurf der Pflegereform 2016/17

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrte Damen und Herren,
Am 1.1.15 ist die letzte Pflegereform in Kraft getreten. Schon gibt es einen Gesetzentwurf für die nächste Reform. Diese soll vorerst die letzte sein. Eine große Änderung wird ab 2017 die Umstellung von bisher drei Pflegestufen zu fünf Pflegegraden sein. Die Einstufung wird sich zudem nicht mehr an der notwendigen Pflegezeit orientieren, sondern an Fähigkeitseinschränkungen. Demenzkranke Menschen erhalten dann auch ohne körperlichen Pflegebedarf eine angemessene Einstufung. Wichtige Änderungen, die der Gesetzentwurf mit sich bringt, finden Sie zusammengefasst auf www.demenz-stuttgart.de  in der Rubrik „Rat und Information“ (Stichwort „Pflegeversicherung 2017 - erste Planungen“). Dort finden Sie zudem viele weitere aktuelle Hilfen zur Pflegeversicherung.

Aktualisierte Tabelle zum neuen Begutachtungssystem
In der angehängten Datei „PV-NBA-Pflegegrade 2017 leichte Demenz“ finden Sie eine aktualisierte Berechnungstabelle für das neue Begutachtungsassessment (NBA) ab 2017. Die Schwellenwerte für Pflegegrad 1-3 entsprechen nun dem Referentenentwurf zum Pflegestärkungsgesetz 2 vom 22.6.. Zudem ist das Assessment beispielhaft für einen leicht demenzkranken Menschen ausgefüllt, der nach heutiger Einstufung die Pflegestufe 0 (erheblich eingeschränkte Alltagskompetenz) erreichen würde. Ansonsten sind beim Assessment bis 2017 ggf. noch Detailänderungen in einzelnen Gewichtungen und Formulierungsänderungen in der Anleitung zu erwarten.
Ab 2017 wird es nur noch möglich sein, mit einer entsprechenden Software, einem Onlinerechner  oder einer Exceltabelle wie dieser den Pflegegrad selbst einzuschätzen. Ältere Menschen ohne solche Hilfsmittel oder entsprechende Beratung werden dazu nicht mehr in der Lage sein und dementsprechend auch z. B. nicht mehr die Erfolgschancen eines Widerspruchs einschätzen können.
Der Vorteil des neuen Verfahrens ist die Abkehr von der „Minutenzählerei“ für die Pflegeeinstufung und eine größere Objektivität und wissenschaftliche Fundiertheit. Dies hat überwiegend Vorteile, aber es ist damit auch ein Nachteil in Kauf zu nehmen. Der tatsächlich eingebrachte Zeitaufwand in der Pflege im Einzelfall spielt nämlich beim neuen Verfahren keine Rolle mehr. Im jetzigen Verfahren kann beispielsweise eine zeitaufwendige aktivierende Pflege, die die Selbstständigkeit des Pflegebedürftigen erhält und Abwehrverhalten reduziert, zur Erhöhung der Pflegestufe beitragen. Im neuen System ist dies nicht mehr relevant. Was und wie viel im Einzelfall für den pflegebedürftigen Menschen getan wird, beeinflusst nicht den Pflegegrad und damit auch nicht die Höhe vieler Leistungen. Hierfür sind allein die festgestellte Unselbständigkeit, die geistigen Einschränkungen und die Verhaltensauffälligkeiten maßgeblich. Zeitintensive gute Pflege, die die Selbständigkeit erhält und Verhaltensauffälligkeiten vermindert, führt somit paradoxerweise zu geringeren Pflegeleistungen. Diese besondere Problematik tritt auch im jetzigen Verfahren schon auf, wenn beispielsweise bei der Begutachtung bewusst überhöhte Angaben zur Durchführung aktivierender Pflege gemacht werden. Im neuen Verfahren ist die Problematik jedoch systemimmanent und damit unvermeidbar. Im Umkehrschluss bedeutet dies, schlechte Pflege, durch die die Selbständigkeit des pflegebedürftigen Menschen schneller nachlässt und Verhaltensauffälligkeiten zunehmen, führt zu höheren Leistungen.

Was zur Vermeidung falscher Erwartungen auch immer wieder erwähnt werden muss: Trotz der Weiterentwicklungen durch das kommende Begutachtungsverfahren und den neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff werden diese Veränderungen (neues Messverfahren für die Pflegeeinstufung und die erweiterte Begriffsdefinition von Pflege) wie auch die 2017 geplanten Leistungsverbesserungen von sich aus nur wenig zu Verbesserungen in der Qualität und Quantität der Hilfen für demenzkranke Menschen führen. Diese Verbesserungen können nur auf anderer Ebene bewirkt werden: durch erhöhte Vergütungssätze für ambulante und stationäre Angebote, bessere Arbeitsbedingungen für die Mitarbeiter in der Pflege und Betreuung, eine Reduktion von Bürokratie und Dokumentationsaufgaben sowie durch ein wachsendes gesellschaftliches Bewusstsein und Engagement. Hier sind die eigentlichen Herausforderungen noch zu bewältigen.

Berechnung der Pflegesätze 2017 nach der Überleitungsregel
Für Pflegeeinrichtungen: Im Dateianhang finden Sie eine Berechnungstabelle (PV-Überleitung-Pflegesätze 2017), mit der Sie bereits jetzt im Vorfeld der Umstellung ab 2017 ihre voraussichtlichen Pflegesätze entsprechend der Überleitungsregel des jetzigen Gesetzentwurf berechnen können. Damit kann eingeschätzt werden, zu welchen Veränderungen es je nach derzeitiger Struktur der Pflegestufen von Bewohnern oder Tagesgästen kommen kann.

Veranstaltungshinweise
Das Programm der Reihe „Mit Demenz leben“ von Alzheimer Gesellschaft Baden-Württemberg, Evangelischer Gesellschaft und treffpunkt 50plus für das zweite Halbjahr 2015 finden Sie hier:
 http://www.eva-stuttgart.de/fileadmin/redaktion/pdf/veranstaltungskalender/Halbjahresprogramm.pdf


Mit freundlichen Grüßen
Günther Schwarz
Netzwerk Demenz Stuttgart / GAGS e.V.