Netzwerk Demenz Stuttgart informiert: Aktuelles zum Pflegestärkungsgesetz 2 – Leistungszugang für Demenzkranke erschwert
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrte Damen und Herren,
das Pflegestärkungsgesetz 2 (PSG 2), das 2016 in Kraft treten und 2017 umgesetzt werden soll, bringt diverse Verbesserungen mit sich. Dies ist in der Presse wie auch in den Stellungnahmen von Verbänden zu lesen. Eine Übersicht zu den Veränderungen finden Sie auch unter www.demenz-stuttgart.de als Download in der Meldung vom 5.8.15.
Mit dem Kabinettsentwurf des Gesetzes, der am 12. August beschlossen wurde, wurden nun auch die Schwellenwerte der Begutachtungsmodule zur Einstufung in die Pflegegrade bekannt gegeben. Hier wurden die Schwellen in einigen Modulen allerdings im Vergleich zur Erstfassung von 2009 vor allem bei den Punktwerten für leichte Beeinträchtigungen höher gesetzt. So braucht man im Modul „Kognitive und kommunikative Fähigkeiten“ nun 2 Punkte, um „geringe Beeinträchtigungen“ bestätigt zu bekommen und im Modul „Selbstversorgung“ sogar 3 Punkte. In beiden Modulen war dies in der ersten Fassung noch mit jeweils einem Punkt möglich. Konkret hat dies zur Folge, dass ein erheblicher Teil der Menschen, die derzeit in die sogenannte Pflegestufe 0 eingestuft werden, nach dem künftigen Verfahren nur noch den Pflegegrad 1 erreichen werden. Dies hat allerdings erhebliche Leistungseinbußen zur Folge. In Pflegestufe 0 erhält man derzeit bei leichten Beeinträchtigungen 123 € monatliches Pflegegeld oder 231 € Pflegesachleistungen für den Pflegedienst plus 104 € Betreuungs- und Entlastungsleistungen plus 231 € für die Tagespflege plus 1612 € jährliche Verhinderungspflegeleistung plus 1612 € Kurzzeitpflegeleistung. Erreicht man nach dem neuen Verfahren Pflegegrad 1, erhält man von den vorgenannten Leistungen nur noch 125 € monatliche Betreuungs- und Entlastungsleistungen.
Gerade für den Einstieg und die Erprobung von diversen Betreuungsangeboten, die seelische Unterstützung und Förderung der Betroffenen und eine frühzeitige Entlastung der Angehörigen sind die vielfältigen Leistungsmöglichkeiten für leicht demenzkranke Menschen sehr wertvoll. Dies scheint nach dem neuen Gesetz ab 2017 so nicht mehr möglich zu sein. Für Pflegestufe 0 war es bisher ausreichend, an einer diagnostizierten Demenzerkrankung zu leiden und unfähig zu sein, eigenständig den Tagesablauf zu planen und zu strukturieren. Nach dem neuen Begutachtungsverfahren (NBA) müssen nun eine ganze Reihe von Fähigkeitseinbußen und teils nicht nur in geringem Maße erfüllt sein, um in den Pflegegrad 2 zu gelangen und damit das gleiche Leistungsspektrum zur Verfügung zu haben wie seither in Pflegestufe 0.
Um sich selbst ein Bild machen zu können, finden Sie im Dateianhang sowohl die bisherigen Regelungen für Pflegestufe 0 (Anerkennung einer eingeschränkten Alltagskompetenz, Datei "PV-Hinweise Höherstufung bei 45ab") als auch eine beispielhaft nach dem neuen Verfahren und den jetzt angegebenen Schwellenwerten eingestufte Person mit ähnlichen (sogar etwas weitergehenden) kognitiven Einschränkungen (Datei "PV-NBA-Pflegegrade 2017 leichte Demenz Stand 8-15"). Hinweis: In der Exceltabelle müssen Sie jeweils unten auf die Reiter klicken, um in die entsprechenden Tabellen der jeweiligen Module zu gelangen.
Man darf sich aufgrund dieser Gegebenheiten nicht durch die relativ großzügigen in § 140 des Gesetzentwurfes vorgesehenen Überleitungsregeln von bisherigen Pflegestufen in künftige Pflegegrade täuschen lassen. Nach diesen erhält jeder mit Pflegestufe 0 automatisch 2017 den Pflegegrad 2. Die Regeln gelten nur für bereits nach dem jetzigen System eingestufte Personen. Für jede, die nach 2017 eingestuft wird, gilt allein das neue Begutachtungsverfahren. Dass dieses nicht wie bei der Überleitungsregel generell zu einem Zweiersprung für Demenzkranke (Pflegegrad = Pflegestufe +2) führt, geht u.a. bereits aus einer Evaluationsstudie zum neuen Verfahren hervor (EViS). Die diesbezügliche Ergebnistabelle finden Sie auch in der anfangs genannten Übersicht unter www.demenz-stuttgart.de . Es ist daher wichtig, das neue Begutachtungsverfahren kritisch zu durchleuchten bevor es in Kraft tritt.
Mit freundlichen Grüßen
Günther Schwarz
Netzwerk Demenz Stuttgart / GAGS e.V.